Die antiquarische, frühwissenschaftliche Auseinandersetzung
mit griechischen Altertümern im 15. Jh.
ist aufs Engste mit der Person Ciriacos d’ Ancona
(1391 – 1452) verknüpft. Von Haus aus Kaufmann,
nutzte Ciriaco geschickt seine Profession, um ein ausgewogenes
Verhältnis gegenüber allen Parteien und
Religionen zu unterhalten. Sein durch unermüdliche
Forschungen und Anerkennung seiner humanistischen
Freunde verstärkter Ruhm als ausgewiesener
Kenner fremder Kulturen wie auch seine wichtige
Rolle als zuverlässiger Informant über die diplomatischen
Affären im östlichen Mittelmeergebiet stellten
für Ciriaco die Eintrittskarte zu den Höfen Italiens
dar und ermöglichten es ihm, seinem antiquarischen
Antrieb ungehindert nachzugehen.
Ciriaco machte es sich im Laufe seines rastlosen Wanderlebens
zur Aufgabe, das östliche Mittelmeergebiet
in allen Himmelsrichtungen zu erkunden, um möglichst
viele erhaltene Bauten und Denkmäler der antiken
Welt zu besichtigen und sie möglichst vollständig
zu erschließen. Die Forschungsergebnisse seiner
Expeditionen fanden in schriftlicher und bildlicher
Form Eingang in seine unter dem Titel „Commentaria“
subsumierten Reisetagebücher, die unglücklicherweise
nur in Fragmenten auf uns gekommen
sind.
Trotz der bruchstückhaften Materialüberlieferung haben
die vorliegenden Untersuchungen deutlich genug
die frappierende Modernität von Ciriacos methodischem
Zugriff aufgezeigt. Mit seinen weitgefächerten
Interessen, mit seiner Begeisterung sowohl für das antike
Bauwesen und die topographischen Studien, die
Reliefkunde, die Statuarik und die Epigraphik, die
Münz- und Gemmenkunde, wie auch für die antike
Mythographie avancierte Ciriaco zu einem
der wichtigsten
Antiquare seiner Zeit und nahm Methoden
moderner archäologischer Disziplinen vorweg.
Andererseits darf nicht vergessen werden, dass der
Umgang mit der Antike, verglichen zumindest mit
dem auf wissenschaftlicher Ebene emotional eher
distanzierten Verhältnis eines heutigen Archäologen
zu seinem Fund, zu Ciriacos Zeiten ein von Hemmungen
jeglicher Art befreiter und verlebendigender
gewesen war. Die Analysen seiner Musen-Nymphen-
Apoll-, Merkur-, Homer-, Aristoteles- und
Kymodoke-Zeichnungen haben unter diesem Aspekt
die vielleicht faszinierendste und bisher in der Forschung
unbeachtet gebliebene Facette von Ciriacos
Persönlichkeit offenbart: seinen schöpferisch-poetischen
Umgang mit den antiken Formen.
Über die Praxis des wissenschaftlich anmutenden Dokumentierens
hinaus, die Ciriaco in seinen zahlreichen
Nachzeichnungen nach antiken Monumenten
konsequent praktizierte, fühlte er nicht selten auch
das Bedürfnis den durch die graphische Dokumentation
wiedergewonnenen antiken Sachverhalt in die
eigene Lebenswirklichkeit fortzuführen, und zwar in
Form von durch die Fantasie getränkten Neuschöpfungen
mit stark autobiographischen bzw. existentiell-
anthropologischen und zum Teil transzendenten
bzw. übersinnlichen Zügen.
Der Katalog unternimmt darüber hinaus zum ersten
Mal den Versuch, die von Ciriaco d’Ancona im
15. Jahrhundert dokumentierten antiken Denkmäler
Griechenlands möglichst komplett zu erfassen.
Die Dokumentation wird durch zahlreiche vor Ort
gemachte Bildaufnahmen von den noch erhaltenen
Denkmälern ergänzt.