Peleus

Studien zur Archäologie und Geschichte Griechenlands und Zypern
Herausgegeben von Reinhard Stupperich und Heinz A. Richter

Band 46

Hans-Martin Kirchner, Friedrich Thiersch. Ein liberaler Kulturpolitiker und Philhellene in Bayern

(2010) ca. 250 pages, 5 Abbildungen, 8°, hard cover, ISBN 978-3-447-06123-0, € 35.-, online bestellen

Die Biographie des bedeutenden Münchner Gelehrten, Philhellenen, Publizisten und Wissenschaftsorganisators Friedrich Thiersch ist von großem Interesse für die Geschichte Griechenlands wie für die Bildungsgeschichte Bayerns in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Er hat in Bayern die Bildung philhellenischer Vereine und deren Einsatz für das aufständische Griechenland organisiert, auf den sich bildenden neuen griechischen Staat indirekt vielfältigen Einfluß ausgeübt und langfristig enge Kontakte mit Griechen aufrecht erhalten. Als graue Eminenz wirkte er bestimmend auf die bayerische Schulpolitik und sicherte für ein Jahrhundert die Stellung des humanistischen Gymnasiums. Aber politisch folgenreicher war sein Einsatz für die lebenden Griechen, für die er sich bereits als Student in Göttingen interessierte. Bei diesem Engagement nutzte er die Griechenbegeisterung des Kronprinzen Ludwig (I.) aus, die Friedrich Jacobs in ihm entfacht hatte. Den energischen Einsatz König Ludwigs I. von Bayern für die Griechen steuerte er über Klenze. Die Wahl des bayerischen Prinzen Otto zum ersten König Griechenlands versuchte er durch seine persönliche Anwesenheit in Griechenland zu beschleunigen. Der Autor hat sich seit seiner Dissertation über Thiersch immer wieder mit dessen Leben und Wirken auseinandergesetzt. Erstmals erschien 1996 in den “Veröffentlichungen des Südostinstituts” ein Gesamtüberblick über das kulturpolitische und das philhellenische Wirken Thierschs. Besonders der philhellenische Teil konnte weitgehend ergänzt in einer überarbeiteten und durch zahlreiche grundlegende Neuerkenntnisse erweiterten Fassung vorgelegt werden. Seine Arbeit betrifft das Schul- und Wissenschaftswesen, vor allem aber die Universität München und die Bayerische Akademie. Thiersch hat aus der Ferne auf Griechenland insofern eingewirkt, indem er als Berater der Regentschaft und auch König Ottos Verfasser von Entwürfen für Universitätsverfassungen, Schulplänen und einer Akademieverfassung war.
Seit der ersten Auflage haben neue Quellenfunde zu wichtigen neuen Einsichten geführt. Die Erkenntnisse, daß der Ursprung von Thierschs Philhellenismus auf v. Haxthausen, die Anregung eine griechische Legion zu bilden, vermutlich auf den Waffenhändler Hoffmann zurückzuführen ist und endlich die Griechenlandreise der Erhaltung der Stellung bei Hofe als griechenlandkundiger Berater diente, führten zu einer neuen Sicht mancher Ereignisse. Schließlich führte ein Brief Thierschs an A. Rhangabe zu einer Korrektur der Rolle Heynes, den er nicht als seinen Lehrer bezeichnet wissen wollte, weil er nur eine Stunde bei dem Emeritus gehört habe. Das zwingt uns zu der Annahme, daß Thiersch sich seine archäologischen Kenntnisse in Paris selbst erarbeitete.
Zu den Mängeln an Thierschs Schulplänen zählen seine Kritiker das Fehlen moderner mathematischer Unterrichtsfelder. In Griechenland hingegen kannte v. Zentner, als Schüler der bayerischen Militärakademie, deren Stoffangebot und arbeitete unter Verwendung französischer Anregungen bereits die für die Berechnung statischer Modelle unentbehrliche Infinitesimalrechnung in das Curriculum für die Reform von 1843 der Baugewerkschule mit ein. Dies erbrachte eine eingehende Recherche zu diesem neu in das Buch aufgenommene Kapitel.
Die Griechenlandreise des Philhellenen Thiersch wird ergänzt durch die Fülle der brieflichen Kontakte mit Griechen und in Griechenland lebenden Zeitgenossen, die ihm als Informanten für seine publizistische Tätigkeit seit 1821 dienten. Aus den vielschichtigen Äußerungen Thierschs läßt sich auf ein sehr waches politisches Urteilsvermögen schließen, das befruchtend auf das politische Leben nicht nur seiner Zeit wirkte, aber auch auf den dem Königshaus treu ergebenen Diener, der mit seinen liberalen Ansichten oft finassieren mußte, um in der Zeit des Vormärz nicht in Konflikte zu geraten, denn seine einseitige Griechenlandberichterstattung hat die Arbeit der Regentschaft sicher nicht erleichtert.