Peleus

Studien zur Archäologie und Geschichte Griechenlands und Zypern
Herausgegeben von Reinhard Stupperich und Heinz A. Richter

Band 56

Alexander Papageorgiou-Venetas, In Focus: Athens. Im Brennpunkt: Athen

(2012)232 S. 147 Abbildungen, Format A4, geb., ISBN 3-447-06721-8 EAN: 978-3-447-06721-8, € 44,00, online bestellen

Der vorliegende Band vereint Beiträge des Architekten, Stadtplaners und Stadtbauhistorikers Alexander Papageorgiou-Venetas über die Entwicklung und Geschichte der neuzeitlichen Stadt Athen von der Neukonzeption als Hauptstadt bis zum Beginn des 21. Jhs., die seit 1997 auf Deutsch oder Englisch in der interdisziplinären Zeitschrift Thetis erschienen sind. Neben Aufsätzen hat er mehrere Abhandlungen zur Geschichte Athens in der Neuzeit vorgelegt, darunter zwei in unserer Reihe Peleus. Als gebürtiger Athener ist der Autor mit dem Gefüge und der Entwicklung seiner Heimatstadt bestens vertraut. Hier hat er Architektur und Stadtplanung studiert und sich durch seine Arbeiten immer mehr mit der Stadt identifiziert. Unter den verschiedensten Aspekten hat er ihre Wiedergeburt nach dem griechischen Freiheitskrieg und ihren Ausbau als neue griechische Hauptstadt untersucht - ausgehend vom ersten und trotz aller Widerstände massgeblich gebliebenen Stadtplanungskonzept der Schinkel-Schüler Schaubert und Kleanthes - und deren originale Pläne samt den folgenden Planänderungen und Gegenvorstellungen publiziert. In seinem Oeuvre treffen sich Architektur und Archäologie auf einem anderen Feld als dem Üblichen der praktischen Bauforschung, vielmehr im Bereich der Denkmalpflege, Wissenschaftsgeschichte und Kulturgeschichte.
Gerade die Akropolis von Athen ist ein hervorragendes Beispiel, an dem sich paradigmatisch alle Probleme der Denkmalpflege aufzeigen und mit denen anderer grosser Denkmäler des Kulturerbes vergleichen lassen. Das eigentliche Problem war, dass die bescheidene, im Freiheitskampf zerstörte Siedlung über dem Zentrum einer der bedeutendsten antiken Poleis lag - für diese Chance und Bedrohung zugleich; die meisten beteiligten Entscheidungsträger sahen aber nur noch die darüber aufragende Akropolis. Auf dem Boden derartiger Betrachtungsweisen entwickelte sich die Grundproblematik der Hauptstadt-Konzeption, die allerdings im Lauf der Zeit aufgrund weiterer Planungsaspekte immer komplexer geworden ist.
Der Band beginnt mit der Darstellung der alternativen Planungen für die Stadtresidenz des neuen griechischen Königs, deren Errichtung man direkt nach der Staatsgründung in den 1830er Jahren für vorrangig hielt. Der vergleichende Blick auf die alternativen Planungen - auf den von Schaubert und Kleanthes im Rahmen ihres Stadtkonzepts, auf von Klenzes Gegenentwurf, auf Schinkels Plan eines Königsschlosses auf der Akropolis selbst, und schliesslich auf den von Klenzes Konkurrenten von Gärtner ausgeführten Bau - ist besonders erhellend. Den wichtigsten Einschnitt in dieser frühen Phase der Stadtplanung, die Reduzierung des ursprünglichen Plans durch die vom Königsvater, Ludwig I. von Bayern, in Auftrag gegebene Planrevision seines Hofarchitekten von Klenze, die einen grösseren Teil der Altstadt (der heutigen Plaka) beibehielt und dadurch das archäologische Grabungsareal im wichtigsten Bereich des antiken Stadtzentrums entscheidend beschnitt, betrachtet Papageorgiou-Venetas im Rahmen von Klenzes lebenslanger Auseinandersetzung mit dem künstlerischen Erbe des antiken und modernen Griechenland.
Die Entwicklung des Fremdenverkehrs zum Massentourismus lässt sich in Athen schon über zwei Jahrhunderte beobachten. Es ist ein erwünschtes Mittel, den Besuchern Ausgrabungen nahe zu bringen, sie in parkähnlichen Anlagen zu konservieren. Das erst vom Zufall, dann von Planungen beförderte Zusammenwachsen eines Ringes archäologischer Zonen um die Akropolis hat die neu gestaltete Fussgängerzone im südlichen Randbereich der Akropolis vorläufig geschlossen. Wichtig ist, die Ströme der Touristen, deren Bedürfnisse und Wünsche zu berücksichtigen, aber auch deren negative Auswirkungen auf die Erhaltung des Kulturerbes streng im Auge zu behalten. Den hohen Wert der öffentlichen Erreichbarkeit der eben gerade dadurch bedrohten Akropolis betont ein Beitrag. Die Gestaltung ihrer Umgebung durch Papageorgiou-Venetas eigenen Lehrer Dimitris Pikionis in den 1950er Jahren stellt ein Paradebeispiel für den kreativen und doch denkmalpflegerisch vorbildlichen Umgang mit der historischen Stadtlandschaft dar. Was im 19. Jh. kahle Felsen waren, nehmen seit einem halben Jahrhundert Besucherscharen ganz selbstverständlich als antike "heroische" Parklandschaft wahr.